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Bis dahin und (nicht) weiter. Künstlerisch-kulturelle Befragungen von Grenzen

Fr, 25. November 2016, 14:00 - 19:30

Atelier im KunstQuartier, Bergstraße 12, 1. Stock


Grenzen sind vielfältig, komplex und ambivalent. Sie tragen Geschichte(n) in sich, bilden reale wie imaginierte Gemeinschaften, (Zwischen-)Räume, Regionen oder Nationen, markieren Ein- und Ausschlüsse. Grenzen verschieben sich, lösen sich auf, werden neu konstruiert. Im Kontext aktueller Migrations- und Fluchtbewegungen sind sie als geografischer wie abstrakter Begriff zur zentralen Diskursfigur geworden, wobei ihre Komplexität und Ambivalenz oftmals ausgeblendet bleiben. Eine Neubefragung dessen, was Grenzen eigentlich sind, drängt sich geradezu auf.


Welche Rolle spielen künstlerisch-kulturelle Auseinandersetzungen in diesem Zusammenhang? Welche Potenziale bergen sie in Bezug auf die Konstruktion, Dekonstruktion und kritische Befragung von Grenzen und Grenzkonzepten? Können sie zu einer Neuverhandlung unseres Verständnisses von Grenzen beitragen? Welche Zugänge ermöglichen einen differenzierten Blick auf das Phänomen „Grenze" und dessen Effekte?


Konzept: Siglinde Lang, Anita Moser, Marcel Bleuler // Organisation und Moderation: Anita Moser

 

Gefördert vom Land Salzburg, Abteilung Kultur, Bildung und Gesellschaft


Keynotes

Was bedeutet „Grenze" heute?

Isolde Charim


Wenn es heute einen virulenten Begriff gibt, dann ist es der Begriff der „Grenze". Die Ereignisse der letzten Zeit, die Katastrophen im Mittelmeer und die Verschärfung der Asylgesetze, haben deutlich gezeigt: Die Definition von Grenze ist eine akute Frage und alles andere als selbstverständlich. Denn Grenzen haben eine Geschichte. Früher erschienen sie als fix - eindeutige Zeichen einer souveränen Macht. Heute hingegen gibt es verschiedene Arten von Grenzen und verschiedene Bedeutungen für das, was „Grenze" ist.
„Grenzen" sind keine rein territorialen Bestimmungen mehr. Sie werden vielmehr an den Individuen festgemacht. Die Individuen sind zu den Träger_innen der Grenzen geworden. Das aber heißt, die jeweilige Bedeutung der Grenze hängt an ihrem jeweiligen Träger, ihrer jeweiligen Trägerin.


Isolde Charim, geb. in Wien, Philosophin und Publizistin, langjährige Lehrtätigkeit an der Universität Wien, Kolumnistin der taz und der Wiener Zeitung, wissenschaftliche Kuratorin der Reihen „Diaspora. Erkundungen eines Lebensmodells" sowie „Demokratie reloaded" am Bruno Kreisky Forum in Wien. Siehe dazu: Isolde Charim, Gertraud Auer (Hg.): „Lebensmodell Diaspora. Über moderne Nomaden", transcript Verlag.

 

Grenzziehungen. Von Grenzen und Subjekten

María do Mar Castro Varela


Grenzen sind keine passiven Linien, die Länder voneinander trennen. Grenzen sind dynamisch, plural und produktiv. Sie schaffen Nationen und die Subjekte, die sich diesen zugehörig fühlen (sollen). Die Naturalisierung von Grenzziehungen legitimiert nicht nur Nationalstaaten, sondern auch jegliche Gewalt, die auf die Sicherheit der sogenannten Staatsbürger_innen zielt und als Grenzschutz beschrieben wird. Grenzen sind mithin ausgrenzend, verletzend und schöpferisch gleichzeitig. Ihre Legitimität ruht auf der Ideologie ihrer Selbstverständlichkeit. Eine Hinterfragung derselben wird aus diesem Grunde schnell belächelt und bekämpft.
Im Vortrag werden Grenzen als fragil und zerbrechlich aufgezeigt und Grenzinterventionen als wichtige und notwendige kritische Praxis skizziert, die nach einer Erweiterung der Imaginationen von Zugehörigkeit verlangt.

 

María do Mar Castro Varela ist Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Diplom-Psychologin, Diplom-Pädagogin und promovierte Politikwissenschaftlerin. Zurzeit Senior Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien (IWM). Forschungsschwerpunkte: Refugee Studies, Critical Education und Postkoloniale Theorie.

 

Grenzen und Grenzüberschreitungen in der Kunst

Anna-Lena Wenzel

 

Was für spezifische Grenzen gibt es im Kunstfeld? Was für unterschiedliche Formen von künstlerischen Grenzüberschreitungen gibt es? Was ist das Besondere an künstlerischen Grenzüberschreitungen?
In meinem Vortrag möchte ich zunächst eine Kategorisierung künstlerischer Grenzüberschreitungen vornehmen, um im zweiten Schritt die These aufzustellen, dass es künstlerischen Praxen häufig nicht darum geht, eine Grenze (eine Linie) zu überschreiten, sondern einen Grenzraum zu eröffnen, in dem Heterogenes aufeinandertrifft und Spannungen entstehen. Nicht die einmalige Übertretung der Grenze ist das Ziel, sondern das In-Bewegung-Bringen von vertrauten Zuschreibungen und das Auslösen eines Gefühls der Verunsicherung. Die Erfahrung der Ambivalenz verweigert die Sicherheit auf der „richtigen" Seite zu stehen; es gilt das Dazwischen auszuhalten.

 

Anna-Lena Wenzel ist Autorin und Künstlerin. Nach ihrem Studium der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg promovierte sie über „Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst". Von 2010 bis 2013 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Urbane Interventionen" an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Im Kunsthaus Hamburg realisierte sie 2010 das Ausstellungsprojekt „Von dritten Räumen", in der Neuen Gesellschaft für Bildende Künste in Berlin 2015/16 das Projekt „Wissensspeicher nGbK". Sie betreibt das Online-Magazine 99% Urban, schreibt regelmäßig für das Kunstmagazin vonhundert und macht Missy Radio. Zurzeit arbeitet sie zum Thema Künstlerische Verweigerungsstrategien zwischen Passivität und Protest.

www.alwenzel.de

 

Praxis

Radikale Grenzüberschreitungen - Beispiele politisch engagierter Kunst und Kulturarbeit

Can Gülcü


Man könnte behaupten, politische Kunst sei nur jene Art der künstlerischen Arbeit, wofür sich die Polizei interessiert, oder präziser, wofür sich die Mächtigen interessieren. Weil sie nichts Geringeres als einen gesellschaftlichen Wandel zum Wohl aller im Sinn hat.
Ausgehend von diesem Gedanken werden im Vortrag Projekte, die beim Kulturfestival WIENWOCHE entstanden sind, präsentiert und mit weiteren politischen und aktivistischen Projekten gegengelesen. Dabei werden - über die Frage nach künstlerisch-formalen Strategien hinausgehend - die Produktionsbedingungen, der Umgang mit der Öffentlichkeit oder die konkrete Projektplanung/ umsetzung fokussiert. Dadurch soll zur Diskussion gestellt werden, wie wir die Kernfragen des Politischen - wer, aus welchen Gründen, mit welchen Absichten und Zielen, mit welchen Mitteln, auf welche Weise handelt - an Kunst stellen können, die sich als politisch engagiert begreift. Und wie es möglich wird, damit Grenzen zu überschreiten, seien es nationale Grenzen, jene des Normativen, der gesellschaftlichen Ordnung oder auch des „guten Geschmacks".

 

Can Gülcü, geboren 1976 in Bursa, lebt seit 1990 in Österreich. Arbeitet als Kulturschaffender in Wien an den Schnittstellen verschiedener Kunstformen und politisch-partizipativer Kulturarbeit mit Fokus auf gesellschaftliche, politische und soziale Machtverhältnisse. 2012-2015 gemeinsam mit Radostina Patulova und Petja Dimitrova (bis 2014) Teil des Leitungsteams des Kulturfestivals WIENWOCHE und 2012-2014 gemeinsam mit Katharina Morawek Teil des Leitungsteams der Shedhalle Zürich. Lehrbeauftragter am Institut für Pädagogische Professionalisierung an der Karl-Franzens-Universität Graz, zuvor an der Akademie der bildenden Künste Wien. Aktivist, Vorstandsmitglied der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch, des freien Radiosenders Orange 94.0 und der Initiative Vielmehr für Alle.

 

WILD. Ein Kunstprojekt zu menschlicher und tierischer Migration

Karla Spiluttini



Das von Korinna Lindinger und Karla Spiluttini 2016 initiierte Kunstprojekt WILD entwirft utopische Perspektiven der grenzüberschreitenden Wanderung. Wanderndem Wild sind kaum nationalstaatliche Grenzen gesetzt. Es orientiert sich an landschaftlichen Merkmalen und migriert eigenen Bedürfnissen folgend, zwischen Sommer- und Winterplätzen oder Bayern und Salzburg. Wandernde im Sinne von migrierende Menschen sind an Zivilisationsstrukturen und -prozeduren gebunden. Ob sie das Recht haben eine Grenze zu überschreiten oder nicht, liegt an den Bestimmungen des dahinterliegenden Landes.
In dem Projekt werden Bürokratie- und Mobilitätsprozesse, denen Menschen unterliegen, und Freiheiten sowie Lebensraumeinschränkungen von Tieren in Grenzregionen zu hybriden Szenarien verdichtet. Diese sind in Form von Objektgruppen und Guckkästen in und um mehrere Hochsitze im Salzburgerland ausgestellt. Im Rahmen von geführten WILD*Wanderungen und in einer eigenen Wanderkarte wird das Thema interdisziplinär inhaltlich und geographisch vermittelt.

 

Karla Spiluttini ist Medienkünstlerin, Forscherin und Vermittlerin. Diplome der Transmedialen Kunst und der Medienwissenschaften, sie lebt und arbeitet in Wien. Ihre künstlerischen und wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in Materialforschung, Phänomenologie von Maker Kulturen und dem spielerischen Umgang mit Elektronik. Letzteren vermittelt sie unter anderem an der Universität für Angewandte Kunst Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien und der NDU St. Pölten.

Grenzen, Flucht und Migration in Computerspielen der Künstler_innengruppe gold extra

Reinhold Bidner/Sonja Prlić

 

Die Künstler_innengruppe gold extra hat in den letzten Jahren einige preisgekrönte Computerspiele entwickelt, die sich mit dem Thema Flucht und Migration beschäftigen. Dazu gehören das Multiplayer-Spiel „Frontiers", das eine Fluchtroute nach Europa präsentiert und die interaktive Dokumentation „From Darkness", die Lebensrealitäten von Flüchtlingen in Afrika erfahrbar macht. Ihr aktuelles Projekt „Future Rearview" ist eine digitale Wanderung durch Salzburg, in der unterschiedliche Salzburger_innen zu Wort kommen und die Vergangenheit und Zukunft ineinander verwebt. Reinhold Bidner und Sonja Prlić von gold extra präsentieren ihre künstlerische Arbeiten und geben Einblick in die Möglichkeiten, die in der Verbindung von neuen Medien wie Computerspielen und sozialen Themen liegen.

 

Reinhold Bidner studierte an der FH Salzburg, (MultiMediaArt) und am Duncan of Jordanstone College of Art and Design, Schottland, Dundee (Animation and Electronic Media). Ab 2001 arbeitete er in Linz am Ars Electronica Futurelab, wo er 2005 Key-Researcher für den Bereich Time Based Media wurde. Seit 2006 ist er freischaffend in den Bereichen Video, Fotografie, Animation und Medienkunst. Neben individuellen Arbeiten ist er Mitglied der Kollektive gold extra und 1n0ut.


Sonja Prlić studierte Literatur in Wien, Dramaturgie in Frankfurt am Main und besuchte das Doktoratskolleg „Kunst und Öffentlichkeit" am Schwerpunkt „Wissenschaft und Kunst" in Salzburg. 1998 mitbegründete sie die KünstlerInnengruppe gold extra und arbeitet seither an Projekten zwischen Performance, Neuen Medien und Technologien. Sie ist als Dozentin (Mozarteum Salzburg, Universität Salzburg) tätig.
Die österreichische KünstlerInnengruppe gold extra produziert und initiiert Projekte in den Zwischenräumen von Bildender Kunst, Performance, Musik und Hybrid Media. www.goldextra.com