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Ab in die Provinz! Rurale Kunst- und Kulturinitiativen als Stätten kultureller Mitbestimmung

Symposium, 28.10.2015 // 16.00 - 21.00 Uhr, Atelier

Konzept & Organisation: Siglinde Lang


Kunst- und Kulturinitiativen in Dörfern, Gemeinden und Kommunen leisten seit jeher nicht nur kulturelle Nahversorgung für ihre Bewohner_innen, sondern geben experimentellen Impulsen, partizipatorischen Formaten und zivilem Engagement Raum und notwendige (Infra-)Struktur. Und dennoch: Trotz hoher künstlerischer Qualität, internationaler Vernetzung und kultureller Durchschlagskraft wird ‚Kunst im ländlichen Raum‘ zuweilen als „provinziell" belächelt oder abgetan, erfährt erschwert nationale und internationale Sichtbarkeit und muss sich nachhaltige Produktionsbedingungen oft erst in Eigenregie erschaffen. Das Symposium diskutierte mit Expert_innen aus Theorie und Praxis aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen aus künstlerischer, soziokultureller und kulturpolitischer Perspektive.

Ländliche Räume: eigenständig, überformt, residual? (Andreas Koch)

In der Epoche der Urbanisierung werden ländliche Räume in Differenz zu städtischen definiert - negativ als Restgröße, über EinwohnerInnen- und Arbeitsplatzdichten und ökonomische Dominanz des Agrarsektors, oder über die räumliche Lage (Zentrum-Peripherie). Neben diesen Annäherungen etablierten sich Ansätze, die dem empirisch feststellbaren Stadt-Land-Kontinuum Rechnung tragen (Stichwort Zwischenstadt). Während städtische Wohn- und Lebensstile Einzug in ländliche Kleinstädte halten, beschwört man für neue städtische Siedlungsformen gerne die Klischees ländlicher Idylle (z.B. Seestadt Aspern). Die Technologisierung erlaubt die Nutzung von Diensten an jedem Ort, was zur Tertiärisierung mit modernen Arbeitsplätzen und sozialen Innovationen (z.B. Zeitbanken) auch und gerade in ländlichen Räumen führt. Überlagert wird dies vom Paradox wachsender sozialer Heterogenität auf dem Land und sozialer Homogenität in Städten.

 

Andreas Koch ist Professor für Sozialgeographie und Leiter des Zentrums für Ethik und Armutsforschung an der Universität Salzburg. Er hat Geographie, Politikwissenschaft und Raumplanung in München studiert, in Aachen promoviert (zur Sozialgeographie elektronischer Bankdienstleistungen) und sich habilitiert (zur Anwendung der Systemtheorie Luhmanns in der Sozialgeographie). Seine Forschungsinteressen sind Geographien der Ungleichheit und Armut, urbane Segregation, demographischer Wandel, Modellierung und Simulation, sowie (Geo-)Statistik und Geographische Informationssysteme (GIS).

EU-Regionalförderungen für Kunst und Kultur im ländlichen Raum. Zahlen, Fakten und kulturpolitische Perspektiven (Xenia Kopf)

Kunst- und Kulturproduktion im ländlichen Raum birgt zahlreiche Potenziale für die regionale Entwicklung. Doch inwieweit werden diese von der Regionalförderung, der „Hauptinvestitionspolitik" der EU, berücksichtigt? Ausgehend von der Studie „Der Kreativ-Motor für regionale Entwicklung" (2011) und dem Ratgeber „Auf einen Blick" (erscheint Herbst/Winter 2015) erkundet der Beitrag den Stellenwert von Kunst und Kultur in der EU-Regionalpolitik, dabei v.a. die Diskrepanz zwischen der fehlenden strategischen Verankerung und den tatsächlich zahlreich geförderten Projekten. Anschließend werfen wir einen Blick auf die aktuelle Förderperiode: Was hat die EU-Regionalpolitik heute mit Kultur, geschweige denn mit Kunst zu schaffen? Wie hat sich deren Stellenwert verändert? Welche Zukunftsperspektiven tun sich auf und welcher Handlungsbedarf besteht für die Kultur- und die Regionalpolitik?

 

Xenia Kopf, ist Doktorandin am interuniversitären Doktoratskolleg „Die Künste und ihre öffentliche Wirkung" (Universität Salzburg, Mozarteum), wissenschaftliche Mitarbeiterin der österreichischen kulturdokumentation, Redakteurin der gift - zeitschrift für freies theater. Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien. Diplomarbeit: Coram Publico. Zur strategischen Inszenierung öffentlicher Räume (2015). Publikationen (als Ko-Autorin, Ausw.): Auf einen Blick. EU-Regionalförderungen für Kunst und Kultur, 2015. Fünfter Österreichischer Kreativwirtschaftsbericht - Kreativwirtschaft als regionaler Faktor, 2013. Der Kreativ-Motor für regionale Entwicklung. Kunst- und Kulturprojekte und die EU-Strukturförderung in Österreich, 2011.
Die österreichische kulturdokumentation. internationales archiv für kulturanalysen (www.kulturdokumentation.org) erforscht und dokumentiert als außeruniversitäres Institut für angewandte Kulturforschung seit über zwanzig Jahren spartenübergreifend Kultur, Kulturpolitik und Kreativwirtschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.

Ein weites Feld? Herausforderungen zeitgenössischer Kunst- und Kulturinitiativen im ländlichen Raum (Anita Moser)

Abseits urbaner Zentren sind zeitgenössische Kunst- und Kulturinitiativen mit anderen Problemlagen und Herausforderungen konfrontiert als in Städten. Obwohl sich in letzter Zeit eine (mediale) Aufwertung von Kunst im ländlichen Raum beobachten lässt, müssen Kunst- und Kulturschaffende für ihre Formate vor Ort oft erst den Boden bereiten. Nicht nur Strukturen und Netzwerke, die öffentliche Wahrnehmung und das Publikum fehlen vielfach im Dorf, sondern mitunter auch die grundlegende Akzeptanz für zeitgenössische künstlerisch-kulturelle Arbeit. Zudem sind die finanziellen Rahmenbedingungen - für Neugründungen wie etablierte Projekte - schwierig. Was sind Gründe dafür? Welche Lösungsansätze gibt es? Und welche Forderungen, insbesondere an die Kulturpolitik, lassen sich daraus ableiten?

 

Anita Moser studierte Vergleichende Literaturwissenschaft und Spanische Philologie in Innsbruck und Bilbao, absolvierte den Lehrgang „Geisteswissenschaften und Kulturmanagement" (Universität Innsbruck) und war u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Komparatistik Innsbruck, als leitende Angestellte beim Festival Neuer Musik „Klangspuren Schwaz" und als Geschäftsführerin der „TKI - Tiroler Kulturinitiativen/IG Kultur Tirol" tätig. Das Doktoratsstudium schloss sie mit einer Dissertation über politische Kunst im Kontext aktueller Migrationen ab. Anita Moser lehrt in der Erwachsenenbildung und an der Universität Innsbruck und ist seit 2015 Senior Scientist am Programmbereich „Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion".

Nähe und Distanz - Das Dorf als künstlerischer Erfahrungsraum. (Hubert Lobnig)

Langsame Annäherung, Einbeziehung der lokalen Bevölkerung und Zusammenarbeit charakterisieren die Arbeit von Iris Andraschek und Hubert Lobnig. In ländlichen Räumen haben sie bereits zahlreiche Projekte realisiert, u.a. in Salnau (OÖ) und in Fratres (NÖ) sowie mehrfach in der Gemeinde Reinsberg (NÖ): Dieser Ort mit etwa 1000 EinwohnerInnen hat seit den frühen 90er Jahren die Auf- und Umwertung seines Dorfes durch die immerwährende Erfindung neuer Images (Eisenstraße, Ötscherland, Kulturdorf) vorangetrieben. In den Projekten „Gemeinsame Sache" 1999, und „Gemischte Gefühle" 2001 ging es darum, Reinsberg, seinen BewohnerInnen, Geschichte und Geschichten durch einen längeren Aufenthalt näher zu kommen und in die Produktion und Präsentation von ortsbezogenen künstlerischen Arbeiten miteinzubeziehen. Mit „Schöne Aussichten" folgten 2004 Bearbeitungen der medialen Präsenz des Dorfes und dessen Veränderung durch mediale Rückspiegelung. „Geteilte Zuversicht" (2011) war ein mehrdeutiger Titel und bezog sich auf ein spezielles Gefühl von Gegenwartswahrnehmung und Zukunftserwartung. Von Iris Andraschek und Hubert Lobnig wurden jeweils 5 - 6 KünstlerInnen bzw. Künstlerteams eingeladen, die auf unterschiedliche Weise auf örtliche Begebenheiten reagieren. Das Projekt hatte seine Basis im ehemaligen Kaufhaus Gruber im Ortskern von Reinsberg und präsentierte an diversen Orten im Dorf.


Iris Andraschek studierte an der Akademie der Bildenden Künste Wien und absolvierte eine Ausbildung an der Freskoschule in Bozen und scuola degli arti ornamentali in Rom. Schwerpunkte der künstlerischen Arbeit sind Fotografie und Zeichnung, sowie ortsbezogene Projekte und Installationen im öffentlichen Raum (seit 1997 oft gemeinsam mit Hubert Lobnig). Sie ist Mitglied der Wiener Secession und von Foto Fluss, erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, lebt und arbeitet in Wien und Mödring (NÖ).


Hubert Lobnig studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Schwerpunkte der künstlerischen Arbeit sind Video, Zeichnung, Malerei, Fotografie sowie ortsbezogene Projekte und Installationen im öffentlichen Raum (seit 1997 oft gemeinsam mit Iris Andraschek). Zahlreiche kuratorische Projekte. Lebt und arbeitet in Wien und Mödring (NÖ). Hubert Lobnig ist Mitglied der NGBK in Berlin und der Wiener Secession.

Ziviles Engagement oder schnödes Mitmachen? Über künstlerische Initiativen, partizipative Wissensprozesse und rurale Topografien. (Günther Friesinger)

Gemeinhin wird das Verhältnis von Stadt und Land, von Ballungsraum und ländlicher Region als Gefälle betrachtet. Was der moderne Stadtraum wie von selbst zu bieten scheint - Vielfalt, ein breit gefächertes Kulturangebot und Spielraum für individuelle Entfaltung -, scheint auf dem Land, wenn überhaupt, nur begrenzt möglich. Wer hinter die Klischees blickt, lernt oft eine ganz andere Region kennen als die, die in unserer Vorstellung existiert. Der ländliche Raum ist keine Einheit, sondern ebenso widersprüchlich und ungleichzeitig, wie wir es von den Ballungsräumen kennen. In ihm gibt es Avanciertes ebenso wie das Althergebrachte und Provinzielle. Nur fehlt manchmal der passende Rahmen, der es uns auch zeigt. Günther Friesinger wird in seinem Vortrag verschiedene seiner regionalen Projekte wie das KOMM.ST Festival, Symposion Lindabrunn und das Rostfest in Eisenerz vorstellen und reflektieren, um partizipative Prozesse und damit verbundene Herausforderungen und Potentiale zu erläutern.

 

Günther Friesinger lebt in Wien und Graz als Philosoph, Künstler, Kurator und Produzent. Er ist Geschäftsführer von monochrom, Chairman des Quartier für Digitale Kunst und Kultur im Museumsquartier, Leiter des paraflows Festival für Digitale Kunst und Kulturen in Wien und des ArseElektronika-Festivals in San Francisco, Produzent des Roboexotica Festivals in Wien, des KOMM.ST Festivals in Anger und der Hedonistika in Montreal und Tel Aviv. Friesinger lehrt Kulturmanagement, Produktion, Social Media und Ausstellungsdramaturgie an verschiedenen Universitäten in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Schwerpunkte der letzten Jahre: Freie Software, Open Culture, Urban Hacking, Leerstände und Hackerspaces.

Eindrücke vom Symposium

Eröffnung durch den Leiter des Kooperationsschwerpunkts Wissenschaft & Kunst DDr. Gerbert Schwaighofer
Siglinde Lang
Andreas Koch
Anita Moser
Xenia Kopf
Hubert Lobnig
Günther Friesinger